Florin Müller

Florin Marian Ionescu wurde am 2. Dezember 1994 als viertes Kind armer Eltern in Fetesti/Rumänien geboren. Als seine Mutter im Februar 1995 verstarb, sah der Vater, der als Tagelöhner nur einen kärglichen Lohn erhielt, keine andere Möglichkeit, als den Säugling in ein Waisenhaus in Slobozia abzugeben, wo Florin die ersten knapp vier Jahre seines Lebens verbrachte, bevor er im September 1998 von einem deutschen Ehepaar adoptiert und aus Florin Marian Ionescu Florin Marian Müller wurde.

Hineingeboren in widrige Umstände, von seinen leiblichen Eltern verlassen und abgegeben in ein Waisenhaus, das kurz nach dem Tod des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu noch gekennzeichnet war durch grauenhafte Zustände, wurde Florin Marian Müller in seiner frühkindlichen Phase mehrfach schwerst traumatisiert. Es waren Jahre, die seinen gesamten weiteren Lebensweg in entscheidendem Maße prägten.

Mutmaßlich aufgrund massiver Vernachlässigung und emotionaler Gewalt, nicht zuletzt durch fehlende Liebe und mangelnde Zuwendung, leidet Florin Müller unter einer ausgeprägten Form von Autismus, dem „Institutional Autistic Syndrome (IAS)“, wie es u.a. von René Hoksbergen beschrieben wird.
(s. https://link.springer.com/article/10.1007/s10803-005-0005-x)
Aufgrund seiner Behinderung kann Florin Müller seinen Körper und sein Verhalten nicht in dem Maße kontrollieren wie er es gerne möchte und wie andere Menschen es können. Dies belastet ihn sehr, da er weiß, was Mitmenschen denken, wenn sie ihn sehen und beobachten. Sie stufen ihn als geistig behindert ein und distanzieren sich von ihm aufgrund seines ihnen unverständlichen und teils auch unheimlich erscheinenden Verhaltens.

Auch Florin Müllers Fähigkeit zu sprechen ist betroffen, so dass er sich nur durch unverständliche Laute mitteilen kann, genauer gesagt konnte, denn eine Verkettung glücklicher Umstände holte ihn aus dieser aussichtslosen Kommunikationssituation.

Zunächst wurde 2010 an der Förderschule für geistige Entwicklung, die er besuchte, die Gebärdensprache eingeführt, ein Angebot, das Florin Müller sehr interessiert annahm. In den folgenden Monaten belegte auch seine Adoptivmutter einen Gebärdenkurs, so dass sich fortan die Kommunikation auch zuhause deutlich besserte. Niemand musste mehr lediglich anhand seiner Stimmung, seiner Gesten und Lautäußerungen erkennen, wie es Florin Müller ging oder was er gerne wollte. Der größte Teil der spontanen Kommunikation von Florin Müller läuft bis zum heutigen Tag über diese Schiene.

2011 wurde dann an der Förderschule eine neue Therapeutin auf Florin Müller aufmerksam. Sie beobachtete, wie er mittels Gebärden überaus geschickt mit seiner Lehrerin verhandelte, um den für sich günstigsten Part zu erzielen. Die Therapeutin bot ihm daraufhin das Schreiben mittels der Methode der gestützten Kommunikation (FC = facilitated communication) an, zunächst mit Buchstabenkarten und an der Buchstabentafel. Es dauerte jedoch nicht lange, da wollte Florin Müller unbedingt an den Computer und schrieb zuallererst auf, dass er nicht dumm sei und einen richtigen Schulabschluss machen wolle.

Anfang 2013 belegte Florin Müller entsprechende Kurse an der Flex-Fernschule und konnte bereits nach 15 Monaten aufgrund seiner herausragenden Leistungen den Hauptschulabschluss vorgezogen ablegen. Besonders im Fach Deutsch überraschte er seine Lehrer immer wieder mit überdurchschnittlichen Leistungen.
Das Schreiben funktioniert ausschließlich über die gestützte Kommunikation: Da viele Autisten einen zu hohen oder zu niedrigen Muskeltonus haben, fallen ihnen kontrollierte Bewegungen schwer. Aktionen wie Schreiben sind extrem anstrengend für sie. Die körperliche Stütze durch einen geschulten Stützer erzeugt einen Widerstand, der eine Bewegungsinitiative auslösen, aber auch überstürzte Bewegungen abbremsen kann. Dadurch gelingt es dem Schreibenden, die Muskelspannung zu regulieren. Hinzu kommt die psychologische Komponente: Da ist jemand, der an mich glaubt und weiß, dass ich es kann. Wichtig ist jedoch, dass der Stützende den Schreibenden nicht manipuliert. Deshalb erfolgt die Stütze möglichst am Oberarm, am Rücken, an der Schulter oder am Knie. Ziel ist, dass der Gestützte irgendwann ganz frei schreiben kann. Florin Müller hat es fast geschafft. Er benötigt beim Schreiben nur noch eine intermittierende Stütze am Knie.

Florin Müller ist es ein Anliegen, durch seine Texte, sowohl in Prosa als auch in Lyrik, die Mitmenschen immer wieder aufs Neue aufzufordern und dazu anzuregen, niemals vom Äußeren auf das Innere eines Menschen zu schließen.

Seit 2019 hat er zudem einen Weg gefunden, seine Gedanken und Emotionen auch in Zeichnungen auszudrücken. Da es ihm nicht möglich ist, einen Stift oder Pinsel gezielt und fein koordiniert zu führen, hat er einen eigenen Malstil entwickelt mit Materialen wie verschiedenen Pinseln und Schablonen sowie Acrylfarben.

Florin Müller liebt alles was zarte Geräusche macht oder sich dreht. Stundenlang kann er sich am Drehen von Reifen begeistern, denn diese gleichmäßige Bewegung bietet ihm die Ruhe und die Ordnung, die er sucht, durch seinen schweren Autismus aber nur selten finden kann. Das Sammeln von Weihnachtskugeln sowie Gläsern zählt zu seinen liebsten Hobbys. Durch das Anschnippen des Glases mit den Fingerspitzen erzeugt er feine Töne, die ihn beruhigen, so wie auch das Hören von Glasharfenmusik.

Florin Müller lebt mit seinen Adoptiveltern und vier Adoptiv- bzw. Pflegegeschwistern in Dillingen / Saar, ist aber Mitglied in verschiedenen überregionalen Autoren- und Literaturgemeinschaften:

  • „Autism Authors“, Leitung: Dr. Linda Barboa, Sprachpathologin, Missouri / USA
  • Wiener Kultur- und Literaturgemeinschaft „Kreis“
  • IGdA (Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren), Wien (2015 bis 2019)

Seit 2015 nahm Florin Müller an verschiedenen Lyrikwettbewerben teil, wobei die Jury nicht wusste, dass er nicht sprechender Autist ist, der lange Zeit als geistig behindert gegolten hatte, und er gewann einige Literaturpreise:

  • ausgewählter Lyrikautor beim Literaturwettbewerb im Rahmen der 10. Bonner Buchmesse zum Thema „Migration“, 2015 mit dem Gedicht „leben für Leben“
  • ausgewählter Lyrikautor beim Jungautorenwettbewerb der IGdA (Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren) Wien, 2015 mit dem Gedicht „Hoffnung“
  • ausgewählter Lyrikautor beim Jungautorenwettbewerb der IGdA Wien, 2017 mit dem Gedicht „Weggabelungen“
Florin Müller

Bisherige Publikationen in Zeitschriften und Anthologien

  • Florin Müller: Gedicht: „Verzweiflung – Durchbruch – Aufbruch“ in: IGdA – aktuell, Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, 39. Jahrgang 2015, Ausgabe 2, S. 12
  • Florin Müller: Gedicht: „Kalypso“ in: IGDA – aktuell, Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, 40. Jahrgang 2016, Ausgabe 3, S. 6
  • Florin Müller: Ein Gedicht zum 50. Geburtstag: „Lebenshilfe“ in: Überblick: Magazin der Lebenshilfe Völklingen (1965 – 2015), 50 Jahre Vielfalt, S. 15
  • Florin Müller: Gedicht: „leben für Leben“ in: Ausgewählte Werke XVIII, Bibliothek deutschsprachiger Gedichte, Realis Verlag, München, 2015
  • Florin Müller: Gedicht: „Hoffnung“ in: Blattl, G. (Hrsg.): „die nacht in der …“, edition Musagetes, Wien, 2015, S. 39
  • Florin Müller: Gedicht: „leben für Leben“ in: „GrenzenLos Vielfalt leben“, Free Pen Verlag, Bonn, 2015, S. 69
  • Florin Müller: Gedicht: „Weggabelungen“ in „Weggabelungen“, Edition Musagetes, edition Musagetes, Wien, 2017, S. 69
  • Florin Müller: Gedichte: „Danke“, „Schnee“, „leben für Leben“ in „Der Abend vor Silvester“ Erzählungen und Gedichte, Dorante Edition, 2015, S. 25 – 26
  • Florin Müller: Gedichte: „Auf der Flucht“, „Der Weg des Lebens“, Lebensstern in Rot“ in „Zum Klostergarten“, Dorante Edition, 2017, S. 121 – 123

Bisherige Bücherveröffentlichungen:

  • Florin Müller: „Die Reise zum leuchtenden Stern oder Ein Astronaut im Weltall“, Ganymed Edition, Hemmingen, 2016, 2. Auflage 2017
  • Florin Müller, illustriert von Julian Bodem: „Worte und Bilder des Lebens: Zwei autistische Freunde verleihen ihren Gefühlen Ausdruck“, Ganymed Edition, Hemmingen, 2018
  • Florin Müller, Ulrike von Lieven: „Poesie und Farbe im Dialog: Ein Inklusionsprojekt besonderer Art“, Ganymed Edition, Hemmingen, 2019

Beim Carow Verlag erschienen